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Das in der Ex-DDR für Fußgängerampeln verwendete Markenzeichen des gehende Ampelmännchen wurde zugunsten eines privaten Unternehmens am 19. Mai 2005 für zahlreiche Waren- und Dienstleistungen u. a. der Klasse 16

– Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Postkarten; Photographien; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate)

zur Register-Nr.: 30472476 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen. Gegen die Eintragung der Marke wurde am 05.08.2009 Antrag auf vollständige Löschung der Marke wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Markengesetz gestellt.

Der Antrag wurde u. a. damit begründet, dass der Marke jede Unterscheidungskraft fehle und die Verwendung des Bildzeichens an Verkehrsampeln ein bekanntes Symbol sei und welches nunmehr auch zum Kulturgut der Menschen in den neuen Bundesländern geworden sei. Das Zeichen werde nur dekorativ benutzt und stelle dabei keinen Herkunftshinweis dar.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hatte mit Beschluss vom 31.01.2011 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke in den vorstehend benannten Schutzbereichen der Klasse 16 wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz angeordnet. Nach Auffassung des Markenamtes stand der Eintragung des Bildes als Marke das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen.

Die Markeninhaberin hat gegen den Beschluss Beschwerde zum Bundespatentgericht (BPatG) eingelegt mit der Begründung, die angegriffene Marke sei erst seit 1974 DDR-Lichtsignal-Standard gewesen. Nach der Wiedervereinigung sei dieser Standard nach und nach gegen die gesamtdeutschen Lichtsignalgeber, insbesondere das sog. Euro-Männchen ausgetauscht worden. Bis auf wenige Ausnahmen einschließlich der westlichen Bezirke Berlins finde es ausschließlich Einsatz in Teilen des Gebietes der ehemaligen DDR. Die Markeninhaberin habe seit ihrer ersten Befassung mit dem Ampelmännchen dessen Nutzung als herkunftsweisendes Zeichen für eine Variation verschiedener Produkte konsequent und nachhaltig verfolgt. Sie vertreibe derzeit ca. 800 verschiedene Produkte alle Art, auf denen die angegriffene Marke aufgebracht sei. Der Umsatz sei in 2009 erheblich gestiegen. Der Vertrieb der Produkte erfolge nicht nur in den vier eigenen Geschäftslokalen in Berlin und in ihrem Onlineshop, sondern auch über Vertriebspartner, denen das angegriffene Zeichen lizenziert wurde.

Die Beschwerde hatte in der Sache Erfolg. Das Bundespatentgericht hat u. a. ausgeführt, dass ein Löschungsgrund nach §§ 54, 50 Abs. 1 Markengesetz i. V. m. § 8 Abs. 2 Markengesetz nicht besteht. Dem Zeichen stand schon zum Anmeldezeitpunkt kein Schutzhindernis entgegen.

1. Der Umstand, dass das in Rede stehende Zeichen früher als Verkehrszeichen genutzt worden sei und auch heute noch bei weiten Teilen der Bevölkerung bekannt sein mag, begründet allein nicht die Annahme eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 oder 7 Markengesetz. Verkehrszeichen seien weder Hoheitszeichen noch Prüfzeichen i. S. der genannten Vorschrift. Insbesondere sei die Marke nicht schon deshalb schutzunfähig, weil sie das früher in der DDR gebräuchliche Verkehrszeichen des sog. Fußgänger-Ampelmännchens wiedergibt. Das Zeichen habe seine rechtliche Bedeutung als Verkehrszeichen mit der Wiedervereinigung verloren.

2. Die angegriffene Marke sei auch nicht in den allgemeinen Zeichenschatz eingegangen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 Markengesetz). Es fehle jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Verwendung des Bildes in seiner konkreten Ausgestaltung für die streitgegenständlichen Waren üblich geworden sei, wie dies § 8 Abs. 2 Nr. 3 Markengesetz voraussetzt. Das gehende Ampelmännchen gehöre nicht zu üblichen Piktrogrammen, die allgemeingebräuchlich als Gattungszeichen die beanspruchten Waren bestimmen. Dass das Bild in seinem bestimmten Kontext (Straßenverkehr) eine Aussage vermittelt, weil es aus dem Zusammenhang heraus verständlich wird, führe nicht zur Üblichkeit der konkreten Darstellungsweise. Selbst bei bekannten Kulturgütern ist ohne Berücksichtigung von Urheberrechten, Bekanntheit oder gar des künstlerischen Wertes allein zu fragen, ob die Bezeichnung oder Darstellung üblich ist und einen Waren- bzw. Dienstleistungsbezug aufweist. Die Benutzung durch verschiedene von der Inhaberin des angegriffenen Zeichens lizenzierte Anbieter macht das Zeichen alleine nicht zu einem üblichen. Gleiches gilt für die umfangreiche nicht markenmäßige dekorative Benutzung durch die Inhaberin des angegriffenen Zeichens bzw. ihrer Lizenznehmer. Eine markenmäßige Benutzung wie auch eine regionale Üblichkeit konnte das Patentgericht nicht feststellen.

3. Auch könne dem gehenden Ampelmännchen weder für den Zeitpunkt seiner Eintragung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Eine herkunftsweisende Individualisierung lässt sich in Bezug auf die zu prüfenden Waren der Klasse 16, Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Postkarten; Photographien; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate), nicht ausschließen, selbst wenn die Geschichte und frühere Bedeutung des „gehenden“ und „stehenden“ Ampelmännchens als ausreichend bekannt unterstellt werde. Nach Auffassung des Bundespatentgerichts hat das angegriffene Zeichen keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt.

4. Auch bestehe kein Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz. Bei dem gehenden Ampelmännchen fehle es an einer eindeutigen Angabe zum Inhalt sowie der Art. Das angesprochene Publikum könne nämlich nach Auffassung des Bundespatentgerichts nicht aus der Abbildung eines Männchens auf einen bestimmten Inhalt schließen. Als inhaltsbeschreibende Angaben seien aber nur solche Aussagen von der Eintragung als Marke ausgeschlossen, die dem Konsumenten eine konkrete Vorstellung vom Inhalt (der Ware) vermitteln können. Die Abbildung des „Ampelmännchens“ als Motiv vermittelt weder eine ganz bestimmte Art noch einen ganz bestimmten Stil. Selbst als „ostalgischer“ Hinweis beschreibe es dies nicht ausreichend korrekt.

5. Auch sei kein Verstoß gegen „§ 8 Abs. 2 Nr. 5 Markengesetz gegeben, da es zur öffentlichen Ordnung keinen Grundsatz gibt, wonach Sonderzeichen nicht als Marke benutzt werden dürfen. Dies gelte umso mehr, als der Künstler der Ampelmännchen der Markeninhaberin die Benutzungs- und Verwertungsrechte für das gehende Ampelmännchen eingeräumt hat.

6. Auch sei keine bösgläubige Markenanmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 Markengesetz gegeben, da dafür hinreichende Anhaltspunkte fehlen. Das Bundespatentgericht konnte nicht feststellen, dass mit der Markenanmeldung das vorrangige Ziel verfolgt wurde, den Wettbewerb zu behindern oder als Sperrmarke benutzt werden solle.

Quelle: Bundespatentgericht Beschluss vom 27.09.2012 (AZ: 27 W (pat) 31/11)